KATERINA BELKINA - SPACELESS

 

Photographien

 

09.05.-15.08.2020

 

LIGHT AND HEAVY

Als ich ein Kind war, verfolgte mich ein immer wieder ein wiederkehrender Alptraum. Ich gehe durch die Straßen auf der Suche nach meinem Zuhause. Vielleicht ist es dieses Haus, oder doch ein anderes? Alle Häuser scheinen fast identisch zu sein, nur kleine unbedeutende Details unterscheiden sie von einander. Meine Suche scheint kein Ende zu haben. Die Straßen sind menschenleer. Nur die Leere. Ich bin allein. In der Serie "Leere Räume" steht im Rampenlicht das menschliche Lebewesen, das auf der Suche nach einem gemütlichen Ort ist, welchen man als Zuhause bezeichnen könnte. In dieser unbeständigen Welt will niemand nur ein Gast sein. Der Drang einen eigenen Platz in dem Universum zu finden setzt uns in die Bewegung und zwingt zur ewigen Suche. Aus und in dieser Suche entsteht ein neuer Typ des Menschen, der die Stadt zugleich liebt und hasst.

Die Stadt ist eine künstliche Materie, die verschmolzen mit den dort Lebenden als etwas Selbständiges, enormen Anziehungskräftiges zu sein scheint. Je größer die Stadt, desto starker ist ihre Anziehungskraft. Doch trotz der starken Energie und künstlichen Intellektes, die die Stadt versprüht, ist sie ohne Menschen leer. Sie ist nur Leere. Solch eine Leere verbirgt sich auch in uns, sie verlangt nach dem Inhalt, möchte gefüllt werden. Wir füllen sie auf. Mit materiellem Gut. In einer großen Stadt, ganz egal welche tolle Taten wir tun, wie grell wir am Horizont leuchten, verspüren wir immer wieder die Hilflosigkeit und kalte Einsamkeit. Trotz des hohen Tempo und ständiger Bewegung fühlen wir immer wieder die Leere. Unsere Erfolge sind eine Illusion, Materielles ist imaginär. In uns entsteht der vage Verdacht, dass wir hier fehl am Platz sind.

 

ZWEIRAUMWOHNUNG

Eine Zweizimmerwohnung ist nicht nur der häufigste Typ eines Stadthauses, sondern stellt auch ein Koordinatensystem für einen typischen Stadtbewohner dar. Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich in Zwei-Zimmer-Wohnungen verbracht. Die Welt wird immer offener, um Geschäfte zu machen, zu kommunizieren, zu reisen und Verbindungen herzustellen, und doch wird unser Leben immer abgeschiedener. Die Welt scheint auf die Größe einer kleinen Wohnung zusammengedrückt zu sein. Tagtäglich durchlebt unser Körper die Bewegung in höchstens einem oder zwei Räumen und auf dem Weg zwischen ihnen. Jeder Tag beginnt mit einer bestimmten ritualisierten Abfolge von Handlungen.

Gleichzeitig grübelt unser Verstand über globale politische Konflikte, Wirtschaftskrisen, Informationskriege oder tatsächliche Kriege nach und sortiert sie aus. Unser Verstand reist um die Welt und kommuniziert mit denen der anderen, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Unser Verstand verarbeitet Tonnen von Daten über völlig fremde Menschen und Orte. Wir nehmen passiv am Leben der Weltgemeinschaft teil, und unsere Teilnahme hat keine geographische Bedeutung, während unsere physischen Handlungen sicherlich eine haben. Gerade diese Dissonanz spaltet uns immer deutlicher in zwei getrennte Räume, den des Geistes und den des Körpers.

Der fotografische Hintergrund jedes Teils des Projekts wurde in dieser oder jener Ecke der Wohnung aufgenommen, in der sich mein Leben dreht. Das Video funktioniert als eine Art Guckloch oder als Fenster auf der anderen Straßenseite, durch das man meine alltäglichen, gar nicht besonderen Handlungen, mein Herumtreiben oder meine Verlangsamung beobachten oder besser gesagt ausspionieren und die neuesten Nachrichten oder eine fünfminütige Meditationsspur hören kann. Wie ein Astronaut auf einem Raumschiff wache ich auf und beginne meine tägliche Routine. Ich arbeite, erledige meine Aufgaben, kümmere mich um meine Familie, und dann mache ich mich auf den Weltraumspaziergang in den Orbit - im Internet. Ich stehe mit dem Rest der Welt in Verbindung und ruhe mich aus, während ich Informationen aufnehme, das Leben der anderen beobachte und über ernste soziale Fragen nachdenke. Es ist so banal und gleichzeitig so seltsam. Vor dreißig Jahren war die Welt noch ein ganz anderer Ort. Diese Zeit scheint ein Wendepunkt zu sein.