WILFRIED KROSIGK VON SCHWERIN

03.07. - 31.08.2025  VERNISSAGE: DONNERSTAG 03. JULI 19:00



Wilfried Schwerin von Krosigk, ein Flaneur durch kulturelle Biotope, zwischen deutschem Neoexpressionismus und amerikanischer Popkultur, siedelte nach seinem Kunststudium Mitte der 1980er Jahre von Köln ins brodelnde New York über – zu einer Zeit, in der das East Village als thermisches Zentrum postmoderner Überhitzung galt.
In diesem urbanen Treibhaus beginnt Schwerin von Krosigk mit gestischer Malerei auf prekären Bildträgern – Jalousien, Kartonagen, Plexiglas – seine künstlerische Sprache zu entwickeln. Was zunächst wie ungestüme Improvisation anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ästhetische Versuchsanordnung, in der sich Piktogramme, Ornamente, urbane Fundstücke und ironisch gebrochene Symbolismen zu semiotischen Prozessen verdichten. Inmitten der industriellen Überfülle betreibt der Künstler eine Alchimie des Marginalen, eine Zweckentfremdung, die das Übersehene durch Neubewertung auf die Metaebene transponiert.
Nicht zufällig finden wir ihn im Kreis jener Ikonen der amerikanischen Gegenwartskunst – Haring, Basquiat, Warhol –, die aus der visuell gesättigten Ökologie des Konsums neue Bildsprachen destillieren. Schwerin von Krosigk, auch Dozent an der Princeton University und Mitglied der American Abstract Artists, kultiviert in seinen Arbeiten eine Dialektik zwischen lustvoller Expressivität und philosophischer Reflexion.
Mit seinem Umzug nach Berlin in den 1990er Jahren vollzieht sich ein Wechsel der Tonlage. Was in New York noch als ästhetische Eruption erschien, verwandelt sich in den jüngsten Arbeiten – den sogenannten „Fiktionen“ – in eine poetische Archäologie der Einbildungskraft. Hier begegnen wir dem Versuch, die abgeworfenen Häute der Zivilisation – Verpackungsreste, durchsichtige Kunststoffe, typographische Relikte – in Dialog mit lakonischen Tuschezeichnungen zu bringen. Die große Geste wird zurückgenommen, der Bildraum kondensiert zur kontemplativen Kammer. Die „Fiktionen“ sind Artefakte der Reduktion, performative Meditationen über das, was bleibt, wenn alles gesagt scheint.
Schwerin von Krosigks Arbeiten operieren nicht mehr auf der Bühne des Spektakulären, sondern in der Zone des Fragilen. Sie sind, in seiner eigenen Diktion, „Suchbewegungen, deren Sinn sich im Ungewollten enthüllt – dort, wo sich das Überraschende und Rätselhafte entfalten kann“. In dieser Kunstform manifestiert sich ein Denken, das nicht belehrt, sondern tastet. Der Künstler ist nicht der Propagandist einer Botschaft, sondern der Architekt provisorischer Sinnräume – und vielleicht ist genau das heute die radikalste Form des Ausdrucks.